Immer Ärger mit den Blitzern!

Aktuelle Einwände gegen Geschwindigkeitsmessungen

Kommt ein Anhörungsbogen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ins Haus, fragt sich der Betroffene, wie er sich verhalten soll und ob es irgendetwas gegen dagegen zu unternehmen gibt.

Zunächst einmal ist zu unterscheiden, ob es sich tatsächlich um einen „Anhörungsbogen“ oder doch nicht nur um einen „Zeugenfragebogen“ handelt. Ein Zeugenfragebogen braucht zunächst einmal ebenso wenig beantwortet zu werden, wie ein Anhörungsbogen und die in den jeweiligen Schreiben genannten Fristen von einer Woche gibt es überhaupt nicht. Sie sind daher auch nicht zu beachten. Allerdings droht für den Fall, dass ein Zeugenfragebogen nicht beantwortet wird und die Ermittlung des Fahrers nicht möglich ist, eine Fahrtenbuchauflage. Die richtet sich dann gegen den Halter des Fahrzeuges und ist von dem dann auch ordnungsgemäß zu erfüllen. Sie wird meistens für 6-12 Monate festgesetzt. Allerdings führt ein Verstoß gegen die Pflicht, ein Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen, zwar zu einer Geldbuße, nicht aber zu Punkten in Flensburg! Es ist also punktemäßig günstiger, eine Fahrtenbuchauflage zu riskieren, als eine Verurteilung in der Bußgeldsache.

Auf einen Anhörungsbogen sollte man irgendwann reagieren, weil ansonsten kommentarlos der Bußgeldbescheid folgt, der dann zusätzliche Kosten in Höhe von 28,50 € nach sich zieht. Es stellt sich dann allerdings die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, gegen einen Anhörungsbogen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung irgendetwas zu unternehmen.

Wer war denn der Fahrer?

Zunächst einmal stellt sich die Frage nach der „Fahreridentität, also ob die auf dem Foto abgebildete Person überhaupt diejenige ist, an die der Anhörungsbogen adressiert wurde. Oft sind die Fotos von sehr schlechter Qualität, so dass eine Fahreridentifizierung kaum möglich ist. Man sollte allerdings nicht unterschätzen, in welche Maße sogenannte „anthropologische Sachverständige“ (Gesichts – Sachverständige) auf einem noch so schlecht erscheinenden Foto den Betroffenen zu identifizieren in der Lage sind. Dies ist oftmals umso leichter, wenn nicht eine zum Verwechseln ähnlich sehende Person (Bruder, Zwillingsbruder u.s.w.) als Vergleichsperson zur Verfügung steht. In einem solchen Falle sollte grundsätzlich immer die Aussage verweigert werden. Es darf natürlich niemals die Vergleichsperson von dem Betroffenen als Fahrer ausdrücklich beschuldigt werden, weil das den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) erfüllen würde, wenn diese Person nicht auch tatsächlich der Fahrer war. Unproblematisch ist es aber, wenn der Betroffene erklärt, zur Sache selbst keine Aussage machen zu wollen, zu bestreiten, dass er das Fahrzeug gefahren hat, das Fahrzeug aber gleichermaßen auch den Personen XYZ (Verwandte) zur Benutzung zur Verfügung steht. Im Gerichtstermin müssten dann sämtliche benannten Personen gegenübergestellt werden, alle verweigern die Aussage und entweder macht sich der Richter selbst einen Eindruck von der Möglichkeit einer Identifizierung oder er bedient sich dann eines solchen anthropologischen Sachverständigen.

Kaum ein Messgerät ist ganz fehlerfrei!

Ist die Frage der Fahreridentität geklärt, geht es im Folgenden lediglich noch um die Frage der Messmethode, also ob das angewandte Messgerät fehlerfrei gearbeitet hat, beziehungsweise die Messmethode aus anderen Gründen zu beanstanden ist. Ob insoweit eine Verteidigungsmöglichkeit besteht, kommt auf das jeweilige Messgerät an. Man kann gegenwärtig sagen, dass sämtliche Messgeräte, die nicht auf Laser-Basis arbeiten, fast ausnahmslos bzw. überwiegend fehlerfrei arbeiten.

Sofern ein „Radarmessgerät“ (z.B. von Multinova) zum Einsatz gekommen sein sollte, gibt es sehr oft Fehler mit dem Messwinkel. Wenn sich das gemessene Fahrzeug schräg rechts zum Messgerät hin bewegt hat, ist der Messwinkel meistens falsch und es müssen zu Gunsten des Betroffenen 1 oder 2 km/h abgezogen werden (sogen. „Schrägfahrt“). Ob das im Einzelfall gegeben ist bzw. das Messgerät selbst schon mit einem unzulässigen Winkel schräg aufgestellt war, kann ein qualifizierter Anwalt leicht feststellen, sobald er die Ermittlungsakte eingesehen hatte. Er benötigt dazu lediglich das Original-Messfoto und ein Lineal. Gegebenenfalls kann er dann anschließend einen Sachverständigen beauftragen, dieses von dem Anwalt gewonnene Ergebnis noch einmal offiziell zu bestätigen.

Wenn eine „Drillingsmessschranke“ zum Einsatz gekommen ist, das so genannte ESO – Messgerät, dann gibt es nur ganz bestimmte wenige, von einem noch so qualifizierten Anwalt nicht ohne weiteres erkennbare Messfehler, die allerdings ein Sachverständiger feststellen kann, sobald ihm die gesamte Messreihe und alle mit der Messung zusammenhängende Dateien zur Auswertung zur Verfügung stehen. Das ist nur mit bestimmten Computerprogrammen aufzuklären, die nur Sachverständigen zur Verfügung stehen.

Nahezu keinerlei Einwände sind gegen den so genannten „Starenkasten“ möglich, also den stationäre Blitzkasten, der am Straßenrand auf einer Stange steht. Denn der arbeitet mit Kontaktstreifen in der Fahrbahn und wenn das Gerät ordnungsgemäß geeicht ist, könnte ein Fehler lediglich noch in diesen Kabeln in der Fahrbahn begründet sein, was aber voraussetzen würde, dass man die gesamte Fahrbahn aufreißt, die Kabel entfernt und auf Mängel hin untersucht, was Kosten in mindestens sechsstelliger Höhe nach sich ziehen würde. Das übernimmt keine Rechtschutzversicherung. Messungen mit diesen Geräten sind daher nur zu kippen, wenn es eine große Zahl an Zeugen (z.B. Fahrzeuginsassen) gibt, die zeitgleich auf den Tacho geschaut und dort nur die vorgeschriebene Geschwindigkeit festgestellt haben. Das könnte ein Hinweis auf einen technischen Fehler der Anlage darstellen, dem dann nachgegangen werden müsste.

Sind die Ergebnisse der modernen Laser-Messgeräte verfassungswidrig?

Aktuell interessant sind sämtliche Geräte, die auf „Laser-Basis“ arbeiten, heute in der absoluten Mehrzahl. Diese Laser-Messgeräte senden eine Vielzahl von Laserstrahlen aus, die das in der Annäherung befindliche Fahrzeug abtasten und dann daraus einen Geschwindigkeitswert ermitteln (diese Geräte werden auch und oft parallel – so auch die vier stationären Geräte in Oldenburg – zur Rotlichtüberwachung eingesetzt). Dabei ist es nun so, dass diese Daten, die diese Geräte aufgrund der einzelnen Laserstrahlen ermitteln (Rohmessdaten), nach der Messung sofort wieder selbständig vom Gerät gelöscht werden. Es wird lediglich das so generierte Ergebnis abgespeichert. Das führt dazu, dass kein Sachverständiger dieser Welt bei solchen Messgeräten nachprüfen kann, ob die Messung korrekt erfolgt ist oder nicht. Dem Betroffenen wird also von vornherein durch diese Löschung der Rohmessdaten jede Verteidigungsstrategie, die sich gegen die Korrektheit des Messgerätes richtet, abgeschnitten. Sachverständige können allenfalls Plausibilitäts-Überlegungen anstellen, eine vollständige Überprüfung der Messung ist nicht möglich.

Hierzu hatte vor einiger Zeit der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/1) erklärt, dass solche Messungen rechtswidrig sind, weil es einfach unzulässig ist, den Betroffenen jede Überprüfungsmöglichkeit abzuschneiden. Diese Entscheidung ist bislang leider einmalig geblieben. Denn sämtliche Instanzgerichte (Amtsgerichte) wie auch die Oberlandesgerichte als Rechtsmittelinstanz haben bislang bundesweit die Auffassung vertreten, es handelte sich um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren. Die „Physikalisch-Technische Bundesanstalt“ (PTB) in Braunschweig habe dieses Gerät getestet und sei zu dem Ergebnis gekommen, es arbeite fehlerfrei. Also geht die Rechtsprechung davon aus, dass das Gerät tatsächlich fehlerfrei arbeitet. Allerdings standen logischerweise auch der PTB die Rohmessdaten nicht zur Verfügung, so dass sich jeder heutzutage fragt, wie die PTB eigentlich zu dem Ergebnis gekommen sein kann, dass die Messung in Ordnung ist, wenn die Rohmessdaten zu einer Überprüfung gar nicht zur Verfügung standen.

Infolgedessen wird nun also seit geraumer Zeit drauf los verurteilt, ohne dass irgendein Gericht jemals die Frage hätte beantworten können, ob die konkrete Messung korrekt erfolgt ist oder nicht. Denn den Gerichten standen logischerweise die Rohmessdaten ebenfalls nicht zur Verfügung. Zu den justiziellen Garantien eines fairen gerichtlichen Verfahrens, das ein Grundrecht auf wirksame Verteidigung einschließt, zählt jedoch das Recht, sich mit den von Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden aufgeführten Beweismitteln auseinandersetzen und „Waffengleichheit“ zwischen Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden und Verteidigung einfordern zu dürfen. Solange eine Messung nicht durch die Bereitstellung der Datensätze – einschließlich auch der Statistikdatei – einer Nachprüfung durch die Verteidigung des Betroffenen zugänglich ist, würde der alleinige Verweis auf die Verlässlichkeit der Konformitätsprüfung schlicht bedeuten, dass Rechtssuchende auf Gedeih und Verderb der amtlichen Bestätigung der Zuverlässigkeit eines elektronischen Systems und der es steuernden Algorithmen ausgeliefert wären. Das ist weder bei Geschwindigkeitsmessungen noch in den Fällen anderer standardisierter Messverfahren – wie z.B. der Blutprobenanalyse und der DNA-Identitätsmusterfeststellung – rechtsstaatlich hinnehmbar.

Erstaunlicherweise geht die Justiz offensichtlich davon aus, dass es sich bei diesen Geräten um die ersten und bislang einzigen Messgeräte handelt, die auf dem Markt gekommen sind und von Anfang an komplett fehlerfrei gearbeitet haben. Dazu muss man sich vorstellen, dass jedes bislang auf den Markt gekommene Messgerät irgendwann als fehlerhaft entlarvt wurde, weshalb alle mit diesem Gerät durchgeführten Messungen dann als ungültig bezeichnet und die noch laufenden Verfahren eingestellt werden mussten. Bei einigen Geräten bedurfte es sechs Generationen und mehr, um endlich zu einem einigermaßen fehlerfrei arbeitenden Gerät zu gelangen. Allein von daher dürfte es ausgeschlossen sein, dass die auf Laserbasis arbeitenden Geräte von Anfang an vollkommen fehlerfrei arbeiten.

Hinzukommt noch, dass es überhaupt keinen erklärbaren Grund dafür gibt, weshalb die Rohmessdaten vernichtet, also gelöscht werden. Es wäre technisch überhaupt kein Problem, diese Daten auf einer Festplatte zu speichern und damit eine Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Geräte zu schaffen. Aber die Rechtsprechung nimmt diesen Gedanken nicht auf, sie verurteilt weiterhin, ohne diese Rohmessdaten jemals ausgewertet haben zu können und weil die Rechtsprechung diese Geräte quasi schützt, wachsen die wie Pilze aus dem Boden. Man kann überall beobachten, dass sämtliche Kommunen bundesweit alle alten, nicht auf Laser-Technik basierenden Messgeräte inzwischen gegen Lasermessgeräte austauschen, weil die eben durch keinen Anwalt, keinen Sachverständigen, noch nicht einmal durch Rechtsmittel angegriffen werden können.

Helfen kann nur ein Fachanwalt für Verkehrsrecht.

Deshalb ist es aktuell erforderlich, eine ganze Anzahl von Anträgen zu stellen – z.B. auf Aussetzung des Verfahrens -, um das Verfahren hinzuschieben. Denn zurzeit liegt genau diese Problematik dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor (AZ.: 2 BvR 1167/20). Mit ein wenig Glück ergeht noch in diesem Jahr eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes und falls das zu dem Ergebnis kommen sollte, dass Messungen mit diesen Geräten tatsächlich verfassungswidrig sind, müssten alle noch laufenden Verfahren eingestellt werden. Leider gilt das nicht rückwirkend für bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren, die auch nicht wieder aufgenommen werden können.

Da nach dem aktuellen Punktesystem bereits bei Erreichen von 4 Punkten seitens der Führerscheinstelle eine Ermahnung erfolgt, bei Erreichen von 6 Punkten eine Verwarnung bei 8 Punkten der Führerschein für mindestens 6 Monate weg ist (dann sogar die MPU erfolgreich absolviert werden muss, um die Fahrerlaubnis wieder zu bekommen!), sollte um jeden einzelnen Punkt gekämpft werden. Das gilt insbesondere bei den im Einsatz befindlichen Verkehrsüberwachungsanlagen, sofern gegen deren Einsatz aktuell verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.